Kategorisierung von Intellektuellem Kapital

Kategorisierung von Intellektuellem Kapital

Für die Darstellung und die weitere Untersuchung des Intellektuellen Kapitals ist es wichtig, eine weitergehende Strukturierung des Intellektuellen Kapitals vorzunehmen und ein Verständnis für die Merkmale und Eigenschaften der verschiedenen Formen von Intellektuellem Kapital aufzubauen.

 

Der Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbachgesellschaft für Betriebswirtschaft e.V.  versucht eine umfassende Kategorisierung für immaterielle Werte aufzustellen, die sich aus Rechnungswesen-Sicht dem Thema nähert (Vgl. Abbildung im Header). Jeder immaterielle Wert kann zumindest einer der beschriebenen Kategorien zugeordnet werden.[1] Wie in den anderen Kategorisierungen ist auch hier die Zuordnung nicht immer eindeutig oder kann ein immaterieller Wert bzw. ein immaterieller Vermögensgegenstand auch mehreren Kategorien zugeordnet werden.

Stewart unterteilt das Intellektuelle Kapital in Humankapital, Strukturkapital und Kundenkapital (Vgl. Abbildung 10).[3/Stewart]

Abbildung 10 – Kategorisierung Intellektuelles Kapital nach Stewart

Edvinsson und Malone verfeinern die Gliederung von Stewart und schlagen die in Abbildung 11 dargestellten Komponenten zur Klassifizierung von Intellektuellem Kapital vor. Wie bereits dargestellt, besteht auch hier der Marktwert eines Unternehmens aus dem Finanzkapital und dem Intellektuellem Kapital. Das Intellektuelle Kapital besteht aus Humankapital und Strukturkapital. Das Strukturkapital gliedert sich wiederum in Kundenkapital und Organisationskapital, welches seinerseits aus Innovations- und Prozesskapital besteht.

 

Abbildung 11 – Kategorisierung Intellektuelles Kapital nach Edvinsson und Malone[4]

Sveiby unterteilt die Intangible Assets in externe Strukturen, interne Strukturen und individuelle Kompetenz.[5]

Abbildung 12 – Kategorisierung Intellektuelles Kapital nach Sveiby[6]

Bei allen, oben beschriebenen Kategorisierungen von Intellektuellem Kapital handelt es sich um keine scharfe Trennung von Intellektuellem Kapital. Vielmehr bestehen Verbindungen und Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Arten von Intellektuellem Kapital.

Demnach erscheint es mir nicht sinnvoll eine große Anzahl von Unterkategorien zu definieren, da eine solche detaillierte Kategorisierung eine Zuordnung nur schwieriger macht und keine deutlichen Vorteile bringt. Die von Stewart getroffene Dreiteilung in Humankapital, Strukturkapital und Kundenkapital erscheint als ausreichend, wenn die letzte Kategorie verallgemeinert als Beziehungskapital bezeichnet wird und damit alle Außen-Beziehungen eines Unternehmens (zu Kunden, Lieferanten, Universitäten usw.) beschreibt.

Diese Klassifizierung wurde auch im MERITUM-Projekt[7] gewählt. Bukh und Johanson, zwei Mitglieder dieses Projektes,  beschreiben die Klassifikation als „neither an exclusive nor an exhaustive classification but an useful one“.[9/Buhk,Johanson]

Zur weiteren Beschreibung der Kategorien von Intellektuellem Kapital in dieser Arbeit verwende ich daher diese dreiteilige Kategorisierung des Intellektuellen Kapitals in Human-, Struktur- und Beziehungskapital (Vgl. Abbildung 13).

 

Abbildung 13 – Kategorisierung Intellektuelles Kapital

Unter Beziehungskapital werden dabei also Kundenkapital und Lieferantenkapital zusammengefasst. Weiters werden in diese Kategorie auch die Beziehungen zu den Investoren und sonstige Beziehungen nach außen aufgenommen.  Location Capital,   Process Capital und Innovation Capital sind Teil des Strukturkapitals, können aber auch Teil des Humankapitals oder Kundenkapitals sein.

Auch die Einteilung von Sveiby lässt sich in diese Kategorisierung abbilden. Die individuelle Kompetenz entspricht dem Humankapital. Die externe Struktur entspricht dem Beziehungskapital und die internen Struktur dem Strukturkapital.

Im Vergleich zu Edvinsson entspricht bei dieser Kategorisierung das Strukturkapital dem Organisationskapital und das Kundenkapital ist Teil des Beziehungskapitals.

Humankapital

Humankapital beruht auf der Gesamtheit des Wissens und Fertigkeiten der in einer Organisation tätigen Menschen. Durch die Nutzung dieses Wissens und dieser Fertigkeiten in zweckorientierten Handlungen entsteht Intellektuelles Kapital, also Ansprüche auf zukünftige Erträge.

Die Mitarbeiter eines Softwareunternehmens sind zum Beispiel ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor für diese Firma. Das Produkt wird um so besser und wertvoller, je intensiver und effektiver das Wissen der Mitarbeiter eingesetzt wird.  Für die Erzeugung von Mehrwert muss das Wissen der Mitarbeiter vorhanden sein, geteilt und genutzt, erhalten und entwickelt werden. Mitarbeiter werden unter Wissensgesichtspunkten zu Mitdenkern.[10/North] Dabei muss man sich allerdings vom klassischen Arbeitgeber – Arbeitnehmer Verhältnis gedanklich lösen. In der Wissensgesellschaft bieten freie Dienstnehmer ihr Wissen an, vielleicht sogar an mehrere Organisationen gleichzeitig. Sie bringen ihr Wissen ein und profitieren aber auch gleichzeitig vom vorhandenen Wissen der Organisation.

Jeder Mitarbeiter  bringt ein gewisses Maß an Wissen mit in die Firma. Die zentrale Aufgabe im Sinne des Wissensmanagements ist es, dafür zu sorgen, dass diese Wissensbasis erhalten bleibt und gepflegt wird. Die Mitglieder einer Organisation müssen die Möglichkeit haben, ihre individuelle Wissensbasis zu erweitern. Schulungen und Fortbildungsmaßnahmen sind einfache Mittel, um sich neues Wissen anzueignen, aber nicht immer erfolgreich. Wissen hat im Gegensatz zu anderen Produktionsfaktoren die Eigenschaft, dass es durch Teilung mit anderen nicht weniger, sondern mehr wird. Wenn sich Verkäufer und Entwickler treffen und ihr Wissen und ihre Erfahrungen austauschen und kombinieren, können ganz neue, ungeahnte Geschäftsideen entstehen, auf die jeder der beiden,  für sich alleine genommen, nie gestoßen wäre. Die Teilung des Wissens kann über die verschiedenen Arten des Wissenstransfers erfolgen.[Mehr dazu in Wissensarten] Der Austausch von implizitem Wissen durch Mentorenmodelle (Sozialisation) kann ebenso erfolgreich sein, wie die gemeinsame Explizierung und Kombination vorhandener  Wissensbestände. Schafft man es, dass das Wissen innerhalb des Unternehmens fließt und zwischen den Personen geteilt wird, wird sich das Wissen innerhalb der Organisation kontinuierlich vergrößern.

Die größte Ansammlung von Wissen nützt jedoch noch nichts, wenn das Wissen nicht zielorientiert eingesetzt wird. Entsprechend der Wissenstreppe von North  (Mehr dazu im Kapital Wissen) ist dafür Können und Wollen notwendig, damit die entsprechenden Handlungen gesetzt werden. Nur durch dieses Handlungspotential wird Wissen gemäß unserer Definition zu Humankapital als Teil des Intellektuellen Kapitals.

In einer Organisation müssen die notwendigen Freiräume und Motivatoren vorhanden sein, die den einzelnen Wissensträger dazu veranlassen, sein Wissen einzusetzen um im Sinne der Unternehmensziele zu handeln. Die Mitarbeiter müssen die Möglichkeit haben, ihr Wissen einzusetzen, und zwar so, dass ein möglichst hoher Kundennutzen erzielt wird. Unnötige Routinetätigkeiten verbrauchen notwendige Zeit, die nötig wäre, um sein Wissen für wertschöpfende Handlungen einzusetzen. Es muss versucht werden, Mitarbeiter von Arbeiten, die einen geringeren Wert für die Kunden haben, zu solchen Arbeiten hinzuführen, die einen größeren Kundennutzen besitzen.[13/Daum] Dafür ist es notwendig, auch handeln zu können. Es nützt nichts, die besten Akademiker und Uni-Absolventen einzustellen, die ohne Zweifel ein hohes Maß an Wissen mitbringen, wenn sie nicht dabei unterstützt werden, ihr Wissen einsetzen zu können. Um dies im Sinne des Unternehmenserfolges tun zu können, ist es notwendig, dass sie durch entsprechende Strukturen unterstützt werden und sie in das Beziehungsgeflecht des Unternehmens eingebunden werden. Das Wissen muss in einen Anwendungs- und Praxisbezug eingebettet werden.[14/Stewart] Es geht dabei auch um das Zusammenspiel von Humankapital, Strukturkapital und Beziehungskapital.

Strukturkapital

Strukturkapital sind Prozesse, Denkweisen, Abläufe, Datenbanken, Kommunikationssysteme, Handbücher, Patente  usw.

Das Strukturkapital ist ein Enabler für das Humankapital. Nur wenn entsprechende Strukturen vorhanden sind, kann das vorhanden Wissen so eingesetzt werden, dass Humankapital gebildet wird. Andererseits wird durch das Humankapital wiederum Strukturkapital gebildet. Als Beispiele seien Innovationen, die zu Patenten führen, und explizierte Erfahrungen aus dem Einsatz von Wissen in Wissensdatenbanken genannt.

Teil des Strukturkapitals ist die organisationale Wissensbasis,  explizites oder implizites Wissen, das für die ganze Organisation verfügbar ist. In expliziter Form kann dieses Wissen in Datenbanken, Handbüchern und anderen EDV-System liegen. Es kann sich dabei aber genauso um implizites, organisationales Wissen in Form von Regeln, Denkweisen, eingespielten Prozessen und Routinen handeln.

Daten und Informationen brauchen Ihre Ordnung

Ein Teil des strukturellen Kapitals kann sogar rechtlich geschützt werden: Technologien, Erfindungen, Daten, Veröffentlichungen und Prozesse können patentiert, urheberrechtlich geschützt oder als Betriebsgeheimnis deklariert werden und sind somit einerseits als Rechte verkäuflich und vor widerrechtlichen Gebrauch durch andere geschützt.[15/Stewart]

Strukturkapital kann sich in Unternehmen in Form von sogenannten Wissensdatenbanken finden. Dabei wird versucht das Wissen und die Erfahrungen von einzelnen MitarbeiterInnen zu explizieren und in formalisierter, zusammengefasster Form in EDV-Systemen abzulegen. Für Klein und Prusak handelt es sich genau dabei um Intellektuelles Kapital, wenn dieses gespeicherte  Wissen genutzt wird, um Mehrwert zu erzielen. Beratungsunternehmen (z. B. KPMG; Ernst & Young, Price Waterhouse) waren in diesem Bereich die Wegbereiter und haben unterschiedlichste Systeme entwickelt, um das Wissen und die Erfahrungen der einzelnen Berater dem ganzen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Wissensdatenbank wird genutzt, um das Expertenwissen (z. B. aus ähnlichen Problemstellungen) von Kollegen zu nutzen und so wertvolle Arbeitszeit zu sparen. [16/Stewart]

Teil des Strukturkapitals ist auch die Aufbauorganisation eines Unternehmens. Fördern die organisatorischen Strukturen im Unternehmen den Wissensfluss zwischen den Individuen und den Organisationseinheiten oder bilden sie eher einen Hemmschuh? Generell lässt sich sagen, dass Wissensaufbau und Wissenstransfer durch jene Organisationsformen am besten unterstützt werden, die Kooperation und Erneuerung akzentuieren.[17/North]

Festgeschriebenes Wissen von Abläufen und Erfahrungen birgt aber auch die Gefahr von Bürokratisierung und der Nutzung von veraltetem Wissen. Kommunikationsstrukturen können zu einem Überangebot an Informationen und Wissen führen, das nicht mehr bewältigbar ist. Eine zentrale Frage im Informationszeitalter ist, wie Unternehmen das strukturelle  Intellektuelle Kapital bestmöglich nützen können, so dass es für die Mitarbeiter unterstützend und nicht hemmend wirkt und somit die Handlungsfähigkeit unterstützt wird.

Beziehungskapital

Jedes Unternehmen, das mit Kunden zu hat, besitzt Kundenkapital. Es ist natürlich möglich, auch die Lieferanten in dieses Konzept zu integrieren. Unter Beziehungskapital versteht man dann den Wert der Beziehungen einer Organisation zu Personen, mit denen sie Geschäfte macht.[18/Stewart] Edvinsson bezeichnet Kundenkapital als die Wahrscheinlichkeit, mit der unsere Kunden auch weiterhin in Geschäftsbeziehungen mit uns bleiben werden.[19/Stewart]

Beziehungskapital ist also sehr in die Zukunft gerichtet und hat maßgeblichen Einfluss auf den zukünftigen Erfolg eines Unternehmens. Nur wer seine Kunden und deren Bedürfnisse kennt, kann erfolgreich sein. Das Kundenkapital wird schlecht verwaltet, wenn etwa ein Unternehmen gar nicht weiß, wer seine Kunden sind. Somit kann das Unternehmen auch nicht die Bedürfnisse der Kunden kennen. Ob Produktinnovationen die Bedürfnisse der Kunden treffen, bleibt dann dem Zufall überlassen.

Kundenkapital ist dem Humankapital ähnlich, Kunden besitzt man nicht. Und ähnlich wie man in Mitarbeiter investieren kann, kann man auch in Kunden investieren um Intellektuelles Kapital aufzubauen.

Eine hoch entwickelte Form von Beziehungskapital besteht dann, wenn Innovationen gemeinsam entwickelt werden. Weiterentwicklungen von Standardsoftwareprodukten können alleine oder gemeinsam mit Kunden entwickelt werden.  Wird der Innovationsprozess gemeinsam gestaltet, haben die Kunden den Vorteil,  die Features der neuen Software (als Erste) nutzen zu können. Der Lieferant, also die Software-Firma kann die  Software auch an andere Kunden verkaufen und so das Beziehungskapital in monetäre Vorteile verwandeln. Anders formuliert kann ein Unternehmen, das gemeinsam mit den Kunden erarbeitete Wissen in ziel- und zweckgerichteten Handlungen nutzen und damit  Wettbewerbsvorteile erzielen. Das kann schlussendlich wieder zu höheren Erträgen führen. Das Beziehungskapital wird dann zu einem kumulierten Vermögenswert, wenn Hersteller und Kunde nicht über die Verteilung des Überschusses, den beide erzielt haben streiten, sondern beide einvernehmlich darüber verfügen. Je enger die Geschäftsbeziehung zwischen Kunde und Lieferant, desto größer der Überschuss.[20/Stewart]

 

Abbildung 14 – Kundenbeziehungen[21]

Hubert Saint-Onge beschreibt in Abbildung 14 die Qualität von Kundenbeziehungen. Es besteht ein Unterschied, ob es sich nur um eine einzelne Transaktion handelt (z. B. Kauf einer Diskette) oder ganze Geschäftslösungen verkauft werden. Je mehr Dienstleistungen und Lösungen mit einem Produkt mitverkauft werden, desto wissensintensiver ist das Produkt als Ganzes. Und gleichzeitig ist die Kunden-Lieferanten-Beziehung viel intensiver und das Beziehungskapital steigt. In der Entwicklung von einer reinen Transaktion hin zur Partnerschaft erhöht der Lieferant seine Erträge, seinen Kundenanteil und seine Sicherheit.  Dieser Weg erfordert Anstrengungen und Investitionen. Aber die Wahrscheinlichkeit, mit dem Kunden auch weiterhin Geschäftsbeziehungen zu unterhalten, steigt.

Literaturhinweise

[1] Vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechungswesen“: S. 990f

[2] Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“: S. 990

[3] Vgl. Stewart (Intellectual Capital): S. 75
[14] Vgl. Stewart (Intellectual Capital): S. 89
[15] Vgl. Stewart (Intellectual Capital): S. 109
[16] Vgl. Stewart (Intellectual Capital): S. 112
[18] Vgl. Stewart (Intellectual Capital): S. 85
[19] Vgl. Stewart (Intellectual Capital): S. 85
[20] Vgl. Stewart (Intellectual Capital): S. 158f
[21] Vgl. Stewart (Intellectual Capital): S. 158

[4]
Vgl. Edvinsson, Malone (Brainpower): S. 52

[5] Vgl. Sveiby (Intellectual Capital)
[6] Vgl. Sveiby (Measuring Intangibles)
www.sveiby.com

[7] MERITUM (Measuring Intangibles to Understand and Improve Innovation Management): 1998 gestartetes EU-Projekt mit Forschern aus 9 verschieden europäischen Ländern

[9] Bukh,  Johanson (Guidelines on IC reporting): S. 4

[10] Vgl. North (Unternehmensführung): S. 119

[17]  Vgl. North (Unternehmensführung): S. 116:

 

 

[13] Vgl. Daum (Intangible Assets): S. 80

 

 

 

 

 

Über den Autor

Norbert Karner administrator

Schreibe eine Antwort

*